Stellungnahme zum Antrag der SPD: „Chancengleichheit JETZT: Die Landesregierung muss die tatsächlichen Kosten für den Schulbesuch in NRW erheben“

Am 05.12.2023 fand eine Expertenanhörung zum o.g. Thema im Landtag NRW statt; auch die Landeselternkonferenz NRW war eingeladen, und hat, neben der eingereichten Stellungnahme, den Ausschussmitgliedern Rede und Antwort gestanden.

Stellungnahme

In §9 Landesverfassung NRW heißt es: „Schulgeld wird nicht erhoben.“, das mag juristisch korrekt sein, aber dennoch kommen, zu jedem Schuljahr aufs Neue, erhebliche Kosten im schulischen Kontext auf die Familien zu.

Wie hoch die Kosten für die Familien sind, hängt dabei von mehreren Faktoren ab. Mal geht es um die Einschulung, ein anderes Mal steht der Wechsel auf eine weiterführende Schule an, egal ob Grundschule oder SEK I/II es sind zu Schuljahresbeginn wiederholt bestimmte Dinge (wie z.B. Bücher) gem. Schulkonferenzbeschluss, oder Fachlehrerwunsch (z.B. Unkostenpauschale für den Hauswirtschaftsunterricht, Stifte, Hefte, Malkreiden, etc.) zu besorgen, die nur zu einem kleinen Teil von der Lernmittelfreiheit gedeckelt sind. Mittelfristig sind auch Klassenfahrten zu finanzieren und innerhalb der Schullaufbahn kommt dann auch noch irgendwann die Anforderung/Aufforderung einen „normalen“ Taschenrechner bereitzustellen oder es gilt gar ein digitales Endgerät (Tablet, Laptop, und weiteres Zubehör) anzuschaffen. Mit der vorangegangenen Aufzählung ist das Ende noch lang nicht erreicht; zusätzlich sind auch noch Kosten für den offenen Ganztag und die Mittagsverpflegung zu berücksichtigen, eventuell Fahrkarten für den ÖPNV selbst zu finanzieren oder gar die Fahrten zur Schule von den Betroffenen selbst zu organisieren; die Liste kann auch hier noch weitergeführt werden, und die Kosten steigen stetig an.

Nicht erst mit unserer Umfrage „Was kostet Schule“ und der zugehörigen Pressemitteilung1) vom Juni 2022 und dem gemeinsamen offenen Brief –
„Lernmittelfreiheit und Kosten von Bildung“2) haben wir auf die stets steigenden finanziellen Belastungen für die Familien hingewiesen. – Bereits 2017 hat das Portal IDEALO eine entspr. Kostenerhebung3),4) mit Bundesländervergleich aufgestellt.

Aus o.g. Gründen begrüßen wir den Antrag und danken für die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen, in der Hoffnung, dass die schon lange fällige ehrliche Erhebung der tatsächlichen Kosten nun endlich erfolgt.

Im Folgenden möchten wir auf einige Themenschwerpunkte näher eingehen.

Digitalisierung
Bereits bei den vergangenen 2 Schulrechtsänderungsgesetzen hat die LEK NRW auf die Missstände hinsichtlich der Digitalisierung von Schulen, und vor allen Dingen von Schülerinnen und Schülern, hingewiesen.

Auch das Gutachten5) des parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags NRW kam Anfang 2022 zu dem Schluss, dass das Schulgesetz nicht den rechtlichen Anforderungen an den digitalen Unterricht von Schulen genügt.

Da hier viele Dinge nicht geklärt sind, haben wir im Bildungsland NRW, was die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit digitalen Endgeräten angeht, einen eklatanten digitalen Flickenteppich; hier reicht die Bandbreite von „die Kommune bzw. der Schulträger stellt alle Geräte“, über „die Kommune bzw. der Schulträger stellt die Geräte von Klasse 1-6, darüber hinaus wird auf elternfinanzierte Konstrukte zurückgegriffen“, bis hin zu „alles läuft im Konzept ´Bring your own Device´ (BYOD)“, was u.a. dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler kein Gerät zur Verfügung haben, oder aber sie nutzen ein kleines Handydisplay. Da sich aber noch nicht alle Kommunen/Schulträger bzw. Schulen auf den Weg gemacht haben, gibt es, ob der nicht geklärten Finanzierungsfrage, auch Kommunen/Schulträger die noch weiter abwarten, bevor sie in die Umsetzung der ausgearbeiteten Konzepte gehen.

=> Das ist sehr weit weg von Chancengleichheit. – siehe auch unsere PM –
Konventionelle und digitale Lernmittelfreiheit für Chancengleichheit7)

Die aktuelle Landesregierung hat das erkannt und sogar zu einem der Wahlkampfthemen gemacht; im Zukunftsvertrag von CDU und Grünen6) wird auf eine Anpassung der Lernmittelfreiheit hinsichtlich digitaler Endgeräte, und einer erforderlichen Ausstattung im Verhältnis 1:1 hingewiesen.
(siehe Seite 58 Zeilen 2823 – 2827)
Hierzu (Schulkosten unter Berücksichtigung digitale Endgeräte und Auswirkungen auf die Lernmittelfreiheit) soll nun, in Zusammenarbeit von Schulministerium und kommunalen Spitzenverbänden, ein Gutachten in Auftrag gegeben werden.

Hier ist aus unserer Sicht zu erklären:

  • Wann erfolgt(e) die Beauftragung?
  • Was ist, inhaltlich und terminlich, als Ziel definiert?
  • Wie werden wir Eltern in die Entscheidungsfindung eingebunden?
    (Für den Fall, dass wir Eltern in der Lernmittelfreiheit mitzahlen, oder
    vielleicht sogar elternfinanzierte Konzepte manifestiert werden könnten.)

Klassenfahrten und Schülertickets im ÖPNV

Welches Kind freut sich nicht, wenn ein Ausflug oder eine Klassenfahrt bevorsteht? Nichts stärkt Sozialkompetenzen und Selbstständigkeit so sehr wie eine Fahrt, an nichts aus der gesamten Schulzeit erinnert man sich später so lebhaft. Natürlich gab es immer schon Kinder mit Heimweh und Trennungsängsten. Gleichzeitig werden die Fahrten für viele Familien immer unerschwinglicher. Müssen die Schulen jetzt auf Fahrten verzichten?

Zusätzlich zu den sonstigen finanziellen Belastungen der Familien in der Energiekrise verteuern sich auch Fahrtkosten seit Monaten erheblich. Das Schulbudget, aus dem die Reisekosten der Lehrkräfte bezahlt werden, wurde nicht erhöht. Reiserücktrittsversicherungen und Reisekrankenversicherungen müssen eingepreist werden.

Daher empfiehlt die LEK NRW den Schulen, den Kostenrahmen nicht einfach über die Schulkonferenzen zu erhöhen, sondern die Fahrten auf Zumutbarkeit für alle Beteiligten zu überprüfen. Es muss nicht zwangsläufig teurer werden. Man kann Ziel, Dauer oder Art der Fahrten anpassen. Ort der Entscheidung müssen die jeweiligen Klassenpflegschaften sein. Nur so ist sichergestellt, dass sich alle Beteiligten eingebunden fühlen und mit den nötigen Informationen versorgt sind. Die Vorsitzenden oder Mehrheit der Klasse können entsprechende Klassenpflegschaftssitzungen jederzeit einberufen.
(siehe auch PM – Klassenfahrten – Zwischen Furcht und Freude8); 10.2022)

Aufgabe des Ministeriums ist es, das Reisekostenbudget für die Lehrkräfte anzupassen. Eine große Erleichterung auch für Ausflüge und Klassenfahrten wäre ein kostenloses oder stark kostenreduziertes ÖPNV-Ticket für alle Schülerinnen und Schüler.
Für die Förderung einer lebenslangen Bildung, ist eine unabhängige und eigenständige Mobilität unabdingbar, und muss von der Liquidität der Familien und Schulen entkoppelt werden. Seit Jahren weist die LEK NRW auf die Notwendigkeit eines kostenlosen Bildungstickets im ÖPNV für alle Schülerinnen und Schüler in NRW für bessere und mehr chancengerechte Bildung hin.
(siehe auch Positionspapier – Bildung braucht Mobilität7); 09.2022)

Die Bandbreite der Themenfelder, in denen Eltern im schulischen Kontext finanziell belastet werden, reicht noch sehr viel weiter, z.B. Kosten für den offenen Ganztag, Kosten für die Verpflegung im Bereich OGS oder auch in der SEK I und II (hier steht aktuell zum Jahreswechsel die nächste Preiserhöhung durch den Anstieg der Mehrwertsteuer an), Kosten im Zusammenhang mit Inklusion, usw.; das Spektrum kann hier nicht abschließend ausformuliert werden, daher werden wir gern die Gelegenheit nutzen in der Anhörung zu antworten.

1) https://lek-nrw.de/?p=1804 – PM – Wird Bildung zum Luxus?
2) https://lek-nrw.de/?p=2132 – offener Brief – Lernmittelfreiheit und Kosten von Bildung
3) https://www.idealo.de/unternehmen/pressemitteilungen/das-kostet-eine-
schullaufbahn-in-deutschland#_ftnref1
– IDEALO
4) https://www.idealo.de/info/de/schulkosten/ – IDEALO
5) https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMI17-
355.pdf
– Gutachten des parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags NRW
6) https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf – Zukunftsvertrag
7) https://lek-nrw.de/?p=1875 – Positionspapiere Herbst/Winter 2022 –
=> Konventionelle und digitale Lernmittelfreiheit und Chancengleichheit
=> Bildung braucht Mobilität
8) https://lek-nrw.de/?p=1890 – PM – Klassenfahrten – Zwischen Furcht und Freude

Gütersloh, 28.11.2023

Download der Stellungnahme als PDF.

(chbe)

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