Welches Kind freut sich nicht, wenn ein Ausflug oder eine Klassenfahrt bevorsteht?Nichts stärkt Sozialkompetenzen und Selbstständigkeit so sehr wie eine Fahrt, an nichts aus der gesamten Schulzeit erinnert man sich später so lebhaft. Natürlich gab es immer schon Kinder mit Heimweh und Trennungsängsten. Dazu kommt aktuell die Sorge vor einer Infektion der ganzen Gruppe und Quarantänemaßnahmen am Reiseziel. Gleichzeitig werden die Fahrten für viele Familien immer unerschwinglicher. Müssen die Schulen jetzt auf Fahrten verzichten?
Zusätzlich zu den sonstigen finanziellen Belastungen der Familien in der Energiekrise verteuern sich auch Fahrtkosten gerade erheblich. Das Schulbudget, aus dem die Reisekosten der Lehrkräfte bezahlt werden, wurde nicht erhöht. Reiserücktrittsversicherungen und Reisekrankenversicherungen, die den Corona-Fall einschließen, müssen eingepreist werden.
Oft ohne Vorankündigung werden dann die Kosten für Fahrten durch die Schulkonferenz erhöht. Dabei sieht der Erlass BASS 2022/2023 – 14-12 Nr. 2 Richtlinien für Schulfahrten (schul-welt.de) vor, „dass der Schulpflegschaft, dem Schülerrat und der Lehrerkonferenz die Gelegenheit zur vorbereitenden Beratung zu geben ist und die Kostenobergrenze für Schulfahrten möglichst niedrig zu halten sind, damit alle Schülerinnen und Schüler teilnehmen können.“ Fahrten müssen finanziell zumutbar bleiben, die Familien brauchen außerdem Zeit zum Ansparen.
Was aber tun in Krisentagen? Wie nicht anders zu erwarten sind die Meinungen der Eltern gespalten. Die einen verlangen, dass die Fahrten wie geplant stattfinden, und verweisen auf den Verzicht, den ihre Kinder in der Pandemie leisten mussten. Andere hoffen mit Rücksicht auf Gesundheit oder Finanzen auf eine Absage.
Daher empfiehlt die LEK NRW den Schulen, den Kostenrahmen nicht einfach über die Schulkonferenzen zu erhöhen, sondern die Fahrten auf Zumutbarkeit für alle Beteiligten zu überprüfen. Es muss nicht zwangsläufig teurer werden. Man kann Ziel, Dauer oder Art der Fahrten anpassen. Das erfordert nur ein wenig Mühe und Kreativität. Zahlreiche Institutionen aus dem Bereich der politischen Bildung übernehmen sogar die Gesamtkosten einer Fahrt. Die schulischen Fördervereine dagegen verfügen wegen der allgemeinen Situation und ausgefallener Veranstaltungen zurzeit über wenig Guthaben. Sie können im Einzelfall Familien unterstützen, sollten aber nicht auf Schulleitungsempfehlung hin für die zusätzlichen Reisekosten der Lehrkräfte einspringen müssen.
Ort der Entscheidung müssen die jeweiligen Klassenpflegschaften sein. Nur so ist sichergestellt, dass sich alle Beteiligten eingebunden fühlen und mit den nötigen Informationen versorgt sind. Die Vorsitzenden oder Mehrheit der Klasse können entsprechende Klassenpflegschaftssitzungen jederzeit einberufen. Laut Fahrtenerlass ist „bei allen mehrtägigen Fahrten und bei Veranstaltungen, die mit erhöhten finanziellen Belastungen verbunden sind, vor Vertragsabschluss von allen Eltern – auch von den Eltern der volljährigen Schülerinnen und Schüler – eine schriftliche, rechtsverbindliche Erklärung einzuholen, dass sie der Teilnahme an der Veranstaltung zustimmen und sich verpflichten, die entstehenden Kosten zu tragen. Dabei ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen.“ Das muss aus Sicht der LEK NRW auch für Kostenerhöhungen und Anpassungen gelten.
Einmal beschlossen ist gemäß § 43 Abs. 1 SchulG die Teilnahme an der Fahrt verpflichtend. Einen Antrag auf Befreiung (§ 43 Abs. 4 SchulG) können Eltern nur in Ausnahmefällen wie bei Unzumutbarkeit aus religiösen oder gravierenden erzieherischen Gründen stellen. Auf Kinder mit Behinderung oder chronischer Erkrankung muss bei der Gestaltung der Fahrt Rücksicht genommen werden, d.h. die Schule muss für ihre Sicherheit sorgen.
Das Zauberwort für Fahrten mit Tränen der Freude statt Tränen der Angst oder Wut heißt Partizipation. Ausschließlich die beteiligten Eltern, Kinder und Lehrkräfte selbst können in diesen Zeiten über Zumutbarkeiten entscheiden. Aufgabe des Ministeriums ist es, das Reisekostenbudget für die Lehrkräfte anzupassen. Eine große Erleichterung auch für Ausflüge und Klassenfahrten wäre ein kostenloses oder stark kostenreduziertes ÖPNV-Ticket für alle Schülerinnen und Schüler, worauf wir schon im September hingewiesen hatten. Zusätzlich können die politischen Parteien mit aus ihren Budgets finanzierten altersgerechten politischen Bildungsreisen Klassenfahrten auch in der jetzigen Krise ermöglichen.
LEK NRW
Vorstand
Dortmund 24.10.2022