PM – Wird Bildung zum Luxus? – Schule fern von Lernmittelfreiheit und Chancengleichheit

In der Corona-Zeit mussten viele Eltern tief in die Tasche greifen, um ihren Kindern die Teilnahme am Fernunterricht mithilfe einer digitalen Ausstattung zu ermöglichen. Dadurch rückte der Umstand ins allgemeine Bewusstsein, dass Schulbildung in NRW schon vor der Pandemie keineswegs unentgeltlich war. Doch darüber, wieviel den Eltern tatsächlich Jahr für Jahr der Schulbesuch ihrer Kinder kostet, ist in Bildungspolitik und Schulverwaltung nichts Genaues bekannt.

Die LEK NRW hat sich jetzt mit einer Umfrage unter den Kreis- und Stadtschulpflegschaften zum Thema „Was kostet Schule“ einen Überblick verschafft. Die Antworten zeigen eine finanzielle Belastung durch den Schulbesuch, die für viele Familien kaum zu tragen ist.

Eigentlich ist in NRW der Besuch öffentlicher Schulen kostenlos und es herrscht
Lernmittelfreiheit. Die einzige Zuzahlung, die Eltern laut Gesetz verbindlich leisten müssen, ist ein Eigenanteil für Lernmittel, der zurzeit zwischen 16 Euro (in der Grundschule) und 34 Euro (in der SEK I) liegt. Verbrauchsmaterialien wie Hefte und Stifte müssen von den Familien gestellt werden.

Doch die Schulen kommen schon lange nicht mehr mit ihren Budgets aus. Das Geld reicht nicht einmal für die Leasing- und Wartungskosten des Kopierers, geschweige denn für Materialien für naturwissenschaftliche Experimente oder besondere Bildungsangebote. Deshalb werben die Schulen um Spenden, was je nach Standort mehr oder weniger gut gelingt. Vor allem aber sammeln sie wie selbstverständlich von den Eltern Geld ein für zusätzliche Arbeits- und Grammatikhefte, Lektüren, Schulplaner, Materialen für Kunst-, Musik-, MINT- und Sportunterricht. Insbesondere bei „Kopiergeld“ und „Klassenkasse“ wird oft nicht klar kommuniziert, dass es sich um freiwillige Beiträge handelt, zu denen die Eltern nicht verpflichtet werden können (siehe Grafik 1).

Nur für Schulmaterial kommen so an Grundschulen zusätzlich zum Eigenanteil Beträge zwischen 150 und 190 Euro im Jahr zusammen. Damit sind Tornister, Sportzeug und Schul-Hausschuhe noch nicht bezahlt. An weiterführenden Schulen beläuft sich die durchschnittliche Summe auf 200 bis 250 Euro. Wie gering das Bewusstsein für die finanzielle Belastung der Eltern teilweise ausgeprägt ist, zeigt sich, wenn z.B. bei Malkästen, Stiften und Schreibheften eine bestimmte Marke verlangt wird. Nicht selten berichten Eltern, dass Arbeitshefte angeschafft werden müssen, in denen dann kaum oder gar nicht gearbeitet wird.

Für die meisten Familien kommen noch weitere Beträge dazu. Das Mittagsessen in der Mensa kostet monatlich 12 bis 85 Euro (siehe Grafik 2), die Fahrt zur Schule mit dem ÖPNV bis zu 60 Euro (siehe Grafik 3), für manche AGs werden Teilnahmegebühren oder Miete für Musikinstrument bzw. Sportgerät von 5 bis 55 Euro verlangt. Nachhilfe und Rechtschreibförderung können, abhängig von der Schulform, mit 50 bis 250 Euro pro Monat zu Buche schlagen.

Viele Schulen erwarten inzwischen die Ausstattung mit einem digitalen Endgerät. Nicht selten müssen Eltern verpflichtend Tablets kaufen oder leasen oder Leihgeräte auf eigene Kosten versichern. Das sind dann schnell fast 600 Euro bzw. 15 bis 50 Euro monatlich (siehe Grafik 4). Dazu kommen die Kosten für Taschenrechner, die, wenn ein grafikfähiges Gerät verlangt wird, sich auf bis zu 150 Euro belaufen können.

In Jahren, in denen Klassenfahrten anstehen, kommen nochmal zwischen 100 bis 500 Euro hinzu. Zusätzlich wird ein Taschengeld, manchmal auch Ausrüstung z.B. für Skifahrten erwartet, die durchaus nochmal 100 Euro kosten kann (siehe Grafik 5). Doch gerade bei Fahrten und Ausflügen zeigen sich große Unterschiede. An Standorten, an denen viele Eltern kein Geld für ein ÖPNV-Ticket haben, scheitern schon einfache Tagesausflüge.

In der Summe müssen Eltern also in manchen Schuljahren deutlich mehr als ein
durchschnittliches Monatseinkommen nur für Schule aufbringen.
Zwar erhalten einige Eltern staatliche Unterstützung durch den Kinderzuschlag oder Leistungen aus dem Bildungs-und Teilhabe-Paket. Dies betrifft aber nur Familien mit einem sehr geringen Einkommen bzw. mit einem Anspruch auf Sozialleistungen. Nicht alle Anspruchsberechtigte wissen davon und schaffen es, entsprechende Anträge zu stellen. Regulär berufstätige Eltern haben kaum eine Chance auf Unterstützung. Besonders kinderreiche Familien geraten so schnell an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Da stellt sich die Frage, warum nehmen wir hin, dass Bildungschancen immer stärker vom Einkommen der Eltern abhängig werden? Warum billigen wir „schwarze“ Kassen und Abhängigkeiten von externen Sponsoren? Wie kann unter solchen Voraussetzungen von Chancengleichheit gesprochen werden? Zurecht fordern Eltern, dass der Schulbesuch einschließlich des Schulwegs per ÖPNV kostenfrei sein muss.

Wir fordern deshalb von der neuen Landesregierung, stoppen Sie den Griff in die
Elterntasche, sorgen Sie für ein realistisches Schulbudget und ermitteln Sie den tatsächlichen Bedarf an Lernmitteln! Ermöglichen Sie ein kostenfreies Bildungs-ÖPNV-Ticket, damit alle Schüler*innen unabhängig vom Wohnort alle Bildungsangebote nutzen können!


Vorstand LEK NRW
Dortmund, 10. Juni 2022
vorstand@Lek-nrw.de

Hier kann die Pressemitteilung (mit Grafiken) heruntergeladen werden.

(chbe)

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