Ausgelöst durch die Krisen der jüngsten Vergangenheit zeigen sich in der Schule vermehrt Probleme wie Lernschwierigkeiten, Mobbing, psychische Auffälligkeiten bis hin zu Gewalttätigkeit. Daher unterstützen wir die Forderung, die Richtlinien anzupassen und Schulsozialarbeit auszuweiten. Die Schulen dabei nach einem festen Schlüssel auszustatten, halten wir für längst überfällig. Ebenso schließen wir uns der Forderung nach mehr schulpsychologischen Hilfen an.
Grundlage unserer Einlassungen sind sowohl unzählige spontane Hilferufe von Eltern als auch eigens von der LEK NRW vorgenommene Umfragen. Die Eltern berichteten von Existenzängsten, Gesundheitssorgen, Schulängsten, Versagensängsten, Ansteckungsängsten, Schlafstörungen, Verlustängsten bis hin zu Suizidgedanken. Schon früh in der Pandemie haben wir deshalb Alarm geschlagen und auf die unterschiedlichen Bedarfe hingewiesen (sh. LEK NRW Newsletter 04.2019). Viele Male haben wir Kontakt zum schulpsychologischen Dienst der Kommunen vermittelt oder auf schulexterne Hilfeangebote aufmerksam gemacht. Dabei ist uns bewusst, dass Umfragen nie alle Eltern erreichen. Insbesondere benachteilige, in der Krise zum Teil schwer belastete Familien sind unterrepräsentiert. Es ist also davon auszugehen, dass die uns erreichenden Hilferufe nur die Spitze des Eisbergs darstellen.
Während der Corona-Krise haben Eltern ihren Sorgen um psychische und physische Gesundheit sowie Bildung und Betreuung ihrer Kinder lautstark Gehör verschafft. Noch nie hat es so viele Neugründungen von Elternforen, Elterninitiativen, Elternvereinen etc. gegeben wie in den letzten drei Jahren. Dies allein macht die große Unzufriedenheit sehr deutlich. Die Eltern mussten erleben, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde. So fühlten sie sich in ihren Nöten und Ängsten nicht ernstgenommen.
Aufgrund von unterschiedlichen Voraussetzungen hatten nicht alle Familien dieselben Probleme, bei den einen löste die Infektionsgefahr, bei anderen bestimmte Maßnahmen Ängste aus. Einige Eltern sorgen sich wegen der großen Lücken, die sich durch häufige Unterrichtsausfälle und -reduzierungen aufgetan haben, andere weil ihre Kinder angesichts ihrer psychosozialen Belastung nicht in der Lage sind, das geforderte Leistungsniveau aufrecht zu erhalten. Die Umfragen der LEK NRW haben deutlich gemacht, dass alle unter der Gesamtsituation gelitten haben. Die fehlende Mitnahme der Erziehungsberechtigten in den Entscheidungsprozessen, die mangelnde individuelle Anpassung an die Bedarfe, hat Ungleichheiten wachsen lassen.
Schon damals wäre eine Erhebung des tatsächlichen Bedarfs erforderlich gewesen sowie eine entsprechende Neuausrichtung der schulischen Standards. Es ist höchste Zeit, dies nachzuholen, denn es ist bis heute nicht gelungen, unterschiedlichen Bedarfen mit passenden Angeboten zu begegnen. An Schulen fehlen Schutzkonzepte die vulnerable Gruppen die Teilnahme an Präsenzunterricht ermöglichen würden, trotzdem haben Sie keinen Rechtsanspruch auf Distanzunterricht. Inklusion kann mangels räumlicher, sächlicher und personeller Ressourcen kaum noch umgesetzt werden.
Die Überforderung der Schulen zeichnet sich im Übrigen nicht erst seit Beginn der Pandemie ab. Immer wieder hat die LEK NRW deshalb die Verstetigung der Schulsozialarbeit angemahnt sowie die Qualifizierung schulischer Assistenz und die Einstellung von Verwaltungskräften zur Unterstützung von Schulleitung und Lehrkräften. Nur mit einer solchen Entlastung und mit der Etablierung von Fachkräften aus Schulsozialarbeit, Psychologie und therapeutischen Berufen an den Schulen wird es gelingen, besser auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren und damit mehr individuelle Unterstützung zu geben. Ziel ist ein individueller Förderplan für jedes Kind unter Berücksichtigung der gegebenenfalls notwendigen Hilfepläne für Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung. Dafür braucht Schule Zeit und Personal!
Aktuell ist die Corona-Krise noch nicht ganz vorbei. Andere Probleme wie der sich schon seit Jahren aufbauende Lehr- und Fachkräftemangel, die Energieknappheit, die Klimaveränderung, der Flüchtlingszustrom und der Krieg in unserer Nachbarschaft führen dazu, dass die enorme psychosoziale Belastung der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien nicht abnimmt. Vertraute Gewohnheiten, Werte und Normen haben plötzlich keinen Bestand mehr. Die Phase der völligen Neuausrichtung macht allen zu schaffen. Bei vielen Eltern kommen großen Existenzsorgen dazu. Für die Kinder und Jugendlichen ist das eine doppelte psychosozialen Belastung, die durch schulischen Leistungsdruck in krankmachender Weise verstärkt werden kann.
Die wenigen kommunalen schulpsychologischen Beratungsstellen, die primär zur Unterstützung der Lehrkräfte eingerichtet wurden, kommen dem hohen Bedarf kaum noch hinterher. Psychotherapieplätze sind schon seit der Aufnahme der ersten großen Flüchtlingswelle über Monate bis Jahre ausgebucht. Auch hier zeichnet sich schon lange ein Fachkräftemangel ab. Kinder und Jugendliche bleiben daher oft mit ihren Nöten allein. Es braucht offensichtlich neue Wege, um unseren Kindern und Jugendlichen wieder gerecht zu werden.
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