PM – Wie geht es Euch? – Gesundheit geht vor!

PM – Wie geht es Euch? – Gesundheit geht vor!
Prüfungen kein Dogma
Die Landeselternkonferenz NRW (LEK-NRW) begrüßt die Bemühungen der Landesregierung allen Schüler*innen in diesem Schuljahr die regulären Abschlüsse durch eine Verschiebung des Abiturs und der ZP10 sowie die Anpassung der anderen Abschlüsse auch an den Berufskollegs und Berufsfachschulen mit ihren praktischen Teil zu ermöglichen. Die Ministerin möchte den Schüler*innen damit zusätzlich Vorbereitungszeit nach den Osterferien in der Schule einräumen, sofern die epidemiologische Entwicklung das zulässt.
Infektionsschutz und Planungssicherheit
Die LEK-NRW ist sich bewusst, dass in der aktuellen Situation Entscheidungen über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen von niemanden zuverlässig getroffen werden können. Gerade aufgrund dieser Unsicherheit sollte die Landesregierung in den kommenden Tagen darlegen, welche Maßnahmen sie bei Wiedereröffnung der Schulen zum Infektionsschutz für Lehrer*innen und Schüler*innen trifft und welche Planungen und Alternativen sie vorbereitet, wenn die Schulen widererwarten nicht geöffnet werden können.
Die Schüler*innen und ihre Eltern dürfen wie bei jeder Prüfung erwarten, umfassend über den Verlauf und aus gegebenem Anlass im besonderen Maße auch über Infektionsschutz und Härtefallregelungen informiert zu werden. So stellt sich die Frage, an wen sich Schüler*innen wenden müssen, um eine gesundheitliche / psychische Belastung bzw. Vorerkrankung oder Einschränkung anzugeben. Welche abgestimmte Prüfungssituationen erwartet diese Schüler*innen? Da der Infektionsschutz einen hohen Stellenwert hat, muss im Vorfeld sinnvoll geregelt werden, wie auch besonders gefährdete Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen, mit Vorerkrankungen oder mit einer Behinderung, gefahrenlos und zeitgleich an den Vorbereitungen und Prüfungen teilnehmen können.
Gesundheit geht vor
Die Ministerin hat in ihrer Pressekonferenz deutlich gemacht, dass es aktuell mehrere Strömungen (pro und contra Abschlussprüfungen) in der Schülerschaft gibt. Auch in der Elternschaft sind diese Strömungen deutlich erkennbar. Wir fragen die Ministerin, ob es Einschätzungen der schulpsychologischen Dienste und anderer Wissenschaftler und Ärzte gibt, die die psychische Belastungen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, bewerten und welche Konsequenzen daraus für den Prüfungsablauf abgeleitet werden?
Benachteiligte Vorbereitung
Einige Schulen müssen noch Vorklausuren durchführen, auch müssen einige Schüler*innen in diesem Kontext an Nachschreibeklausuren teilnehmen. Eine parallele Vorbereitung in diesem kurzen Zeitrahmen vor dem Prüfungstermin, halten wir für höchst problematisch. Nach Möglichkeit sollte darauf verzichtet werden. Hinzu kommen weitere Ungleichheiten in der Prüfungsvorbereitung, denn die bisherigen Erfahrungen zeigen bereits deutliche Unterschiede der Lernsituationen der Schüler*innen. An vielen Schulen funktioniert die Kommunikation und der Austausch von Arbeitsmaterialien zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen nach Anfangsschwierigkeiten zufriedenstellend, was auf das außerordentliche Engagement von Lehrer*innen und Eltern zurückzuführen ist. Es fehlen leider weiterhin einheitliche Kommunikationsstrukturen zwischen den Lehrer*innen und Schüler*innen, als auch zwischen Schule und Eltern, so dass nicht sichergestellt ist, dass alle die notwendigen Informationen und Arbeitsmaterialien erhalten bzw. gleichwertig nutzen können. In dieser Ausnahmesituation sollten Lehrende stärker proaktiv auf die Schüler*innen zugehen. Weiterhin ist die Lernsituation von Schüler*innen zu Hause durch die Extreme von „voll ausgestatteten Büros“ und nicht vorhandenen Endgeräte wie PC, Laptop, Drucker oder fehlenden Onlinezugängen geprägt. Hinzu kommen beengte Wohnsituationen oder auch Konkurrenzen mit den im Homeoffice arbeitenden Eltern, sowie gleichzeitig lernenden Geschwistern und nicht ausreichenden adäquaten Endgeräten.
Deswegen wird der Vorschlag der Landesregierung begrüßt, dass sich die Schüler*innen mit den Lehrer*innen in der Schule auf die Prüfungen vorbereiten können, um Nachteile ausgleichende Lernsituationen zu schaffen. Allerdings fehlen Aussagen zur Verbindlichkeit, sowie Art und Umfang in der konkreten Ausgestaltung und zum Infektionsschutz. Anzustreben ist hier ein systemischer Ansatz der Lehrer*innen gemeinsam mit Sozialarbeiter*innen, unterstützt durch die schulpsychologischen Dienste der Kommunen, aktive Hilfestellungen zu leisten. Auch die Einrichtung eines dezentralen Sorgentelefons für Schüler*innen stellt ein solches Angebot da.
Abschlussprüfungen kein Dogma
Wir möchten der Ministerin danken, dass sie sich für ein bundesweit weitgehend gleiches Vorgehen einsetzt. Jedoch dürfen Abschlussprüfungen kein Dogma sein. Die LEK-NRW erwartet schon jetzt die Vorstellung der möglichen Alternativen, so wie es das Land Niedersachen vorgemacht hat: Falls dort der Fahrplan nicht umgesetzt werden kann, wird auf die Abschlussprüfungen verzichtet und die Abschlussbewertung erfolgt auf Basis der Leistungen der letzten Schuljahre (Durchschnittsabschluss); eine weitere Verschiebung ist nicht vorgesehen. Dies ist ein vollständiges, transparentes Verfahren mit abschließendem Ende, welches auch von der LEK-NRW mitgetragen würde. Eine Festlegung auf dieses Modell durch mehrere Bundesländer wäre ein Weg zu einem bundeseinheitlichen Vorgehen, so dass gleichzeitig auch Transparenz und Sicherheit für alle Beteiligten entstünde und damit die Abschlüsse gleichwertig anerkannt würden. Auch unsere Nachbarländer, Niederlande und Frankreich, verzichten bereits jetzt auf eine Abschlussprüfung.
Die Chance
In jeder Krise steckt auch der Beginn für einen Neuanfang. Zurzeit existiert ein riesiges Experimentierfeld, das unbedingt evaluiert werden muss, um notwendige Maßnahmen für die Zukunft daraus abzuleiten. Nutzen wir die Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen und wahren gleichzeitig Gelassenheit in dieser Situation. Das Anerkennen der Abschlüsse darf keine Frage sein, sondern Selbstverständlichkeit! Doch gilt insbesondere auch in der Krise die Maxime: »Wir lassen kein Kind zurück!« und fragen jetzt „Wie geht es Dir?“
Mit freundlichen Grüßen
Anke Staar Dr. Jan N. Klug Andrea Lausberg- Reichardt
Dr. Ulrich Meier Stefanie Krüger-Peter Karla Foerste
Christian Beckmann Astrid Bauer Werner Volmer
LEK-NRW Gesamtvorstand, Dortmund, 28. März 2020

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