Präsenz – mit Schutzmaßnahmen und unter Einhaltung der AHA- Regeln!

Die Nöte der Schüler*innen und Familien sind groß und deshalb nicht kurz, aber klar:

In der Umfrage der LEK vom April 2021 haben die Eltern in NRW deutlich gemacht, dass sie Präsenzunterricht wünschen, aber nicht um jeden gesundheitlichen Preis. Die Belastung der Familien ist enorm, Kinder brauchen Bildungsangebote, Eltern Betreuungsangebote, Kinder ihre Freunde. Daher fordern wir seit Beginn der Krise Schutzkonzepte, die Schulräume sicherer machen und Unterricht in Präsenz wieder verlässlich ermöglichen. Auch die Bundesnotbremse sieht einen „angepassten“ Präsenzunterricht nur bei Einhaltung von Schutz- und Hygienekonzepten vor. Die Empfehlung des RKI, erst bei einem Wert von 50 zu öffnen, werden vom Ministerium abermals ignoriert.

HEPA-Luftfiltergeräte bieten einen solchen Schutz und würden eine generelle Öffnung unabhängiger von Inzidenzen ermöglichen. Das Schulministerium begrüßt ihre Anschaffung. Doch nur wenige Kommunen wie Rheine statten alle Räume ihrer Schulen auch entsprechend aus. Stattdessen werden von einzelnen Kommunen immer neue Gutachten in Auftrag gegeben, bereits vorhandene angezweifelt, auf zu enge Förderrichtlinien von Bund und Land verwiesen, trotz Empfehlungen der WHO und des RKI.

Trotz Warnung fast aller Verbände vor zu früher Öffnung bei fehlenden Schutzmaßnahmen kehren nun die Schülerinnen in voller Klassenstärke in die Schulen zurück. In der aktuellen Schulmail ist von strikter Einhaltung der Hygieneregeln die Rede. Nun die Kinder wieder mit sämtlichen Differenzierungskursen und Ganztagsangeboten zurückzuholen, bedeutet aber bei bis zu 30 Kinder in einem Raum, die Abkehr von der Abstandsregel. Die Schulen haben dazu nicht den notwendigen Platz und immer noch nicht ausreichend Personal. Lösungsvorschläge der Verbände werden wiederholt nicht beachtet und eigene geliefert.

Dabei wird vergessen, dass gerade jüngere Kinder auch weiterhin geschützt werden müssen, weil sie noch lange kein Impfangebot erhalten. Besonders betroffen sind vulnerable Schülerinnen mit einer Vorerkrankung oder einer Behinderung, zumal wenn ihnen das Tragen von Masken, das Testen und das Impfen grundsätzlich nicht möglich sind. Es zeigt also wieder, dass die Entscheidung weniger vom Wohl aller Schülerinnen als vom wirtschaftlichen Druck zu öffnen bestimmt wird. Der Überbietungswettbewerb des frühen Öffnens ist in vollem Gange. Doch auch nach 14 Monaten verweist das Ministerium nur auf den angepassten Schulbetrieb, lässt aber unbeantwortet, wie so die Abstandsregeln eingehalten werden sollen. Die Sorge vieler Verbände, wie mit voller Öffnung eine weitere Welle verhindert werden kann,
bleibt unbeantwortet.

Die Notwendigkeit der vollen Öffnung wird mit der psychischen Belastung der Kinder begründet, die nicht von der Hand zu weisen ist. Notwendig ist aber vor allem zu schauen, was Schüler*innen konkret belastet, statt nur Betroffenheit kundzutun. Psychisch belastet sind auch Schüler*innen, die Angst vor Ansteckung, Angst vor Prüfungen, Angst vor Notendruck, Angst vor Schnelltests und vieles mehr haben. Das zeigt auch unsere Umfrage. Umso wichtiger wäre ein stringentes Handeln in Fragen Raumschutz aber auch bei der dringlichen Aufstockung von Personal und Raum gewesen. Doch hier wird zu wenig geliefert.

Auch die LEK NRW fordert Präsenz, doch halten wir die fehlende Differenzierung bezüglich Schularten und Standort als höchst problematisch. Ältere (Oberstufen-) Schülerinnen kommen häufig gut im Distanzunterricht klar. Speziell die Berufskollegs hatten signalisiert, lieber bis zum Ende des Schuljahres im Distanzunterricht bleiben zu wollen. Eine Rückkehr in die großen Kollegs bedeutet häufig eine Konzentration von 2000 bis 4000 Menschen auf engen Raum. Bei der Orientierung an der Inzidenz jeweils einer ganzen Stadt oder eines ganzen Kreises wird ausgeblendet, dass es häufig Stadtteile gibt, wo die Infektionszahlen gerade bei Kindern und Jugendlichen noch immer bei fast 200 pro 100T Einwohner liegen, obwohl die Schulen bisher geschlossen waren. Standorte, an denen es seit Wochen keine Infektionen mehr gegeben hat und die nach den Vorgaben der Bundesnotbremse schon längst wieder ohne Restriktionen hätten arbeiten können, müssen andere Konzepte fahren dürfen, als jene, wo sich viele infizieren.

Statt Differenzierung als unfair abzulehnen, muss auf ungleiche Voraussetzungen mit Aussetzung oder Anpassung von zentralen Prüfungen und Flexibilisierung von Curricula reagiert werden, weil Ungleichheiten auch durch Quarantäne bleiben werden. Vor allem aber muss man sich weiterhin mit aller Kraft der Senkung der Inzidenzen in den betroffenen Gebieten widmen. Hier muss dringlich hingeschaut werden, was dafür benötigt wird, sei es Aufklärung in verschiedenen Herkunftssprachen, sowie leichter Sprache oder Ton- und Bildsprache, finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von Hygieneauflagen oder niedrigschwellige Impfangebote. Hier müssen auch die Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen werden und Hygienekonzepte im Beruf nachgeschärft werden.

Auch der Forderung nach einem Impfangebot für Schülerinnen ist nachzukommen. Dabei sollte es um niedrigschwelligen Zugang in Kombination mit einer auf die besondere Problematik der Impfung von jungen Menschen ausgerichteten Aufklärung gehen. Ziel kann es nicht sein, wieder eine neue Gruppe zu priorisieren, solange noch nicht alle vulnerablen Menschen (und auch nicht alle Lehrkräfte) ein Impfangebote oder Zweitimpfung erhalten haben. So berechtigt solche Forderungen alle sind, fördern sie doch vor allem die Spaltung der Gesellschaft. Doch weil es nur sehr langsam voran geht, sollten Öffnungen wohl bedacht und nachvollziehbar sein, besonders im bevölkerungsreichsten Land der Republik mit 2,5 Millionen
Schüler*innen!

Besonders belastet sind Schüler*innen aber auch durch Prüfungsdruck. Inakzeptabel ist daher auch die Ungleichbehandlung der Leistungsnachweise und Abschlussprüfungen für nicht getestete Schülerinnen. Hier ist dringlich eine Gleichbehandlung aller Schüler*innen herzustellen. Die Teilnahme an Prüfungen und Klassenarbeiten in separaten Räumen muss allen Schülerinnen ermöglicht werden, wenn man davon schon nicht ablassen kann. Das psychische Wohl der Schüler*innen in diesem besonderen Jahr muss dann auch bei der Bewertung der Arbeiten berücksichtigt werden. Es ist unverständlich, in der Krise einem Prüfungsfetisch zu folgen und sich dann über den seelischen Leidensdruck der Schüler*innen zu wundern.

Kinder, die z.B. wegen Autismus oder anderen Gründen den Schnelltests nicht annehmen, dürfen nicht wie Systemverweigerer oder hoch infektiöse Aussätzige behandelt werden. Auch dies trägt zum seelischen Leidensdruck der Schüler*innen bei. Vielmehr muss man ihre Ängste ernst nehmen und individuelle „gütliche“ Lösungen mit den Familien finden. Vielleicht helfen andere Testarten oder digitale Lernstandprüfungen oder manchmal auch nur ein freundliches Gespräch. Jedenfalls ist auch das Wohl dieser Familien zu bedenken. Gleichzeitig erspart man den Schulen rechtliche Auseinandersetzungen. Was andere Bundesländer mit Aussetzung der Präsenzpflicht ermöglichen, muss hier mindestens Alternativen finden. Die Schulen zu nötigen, Kinder deshalb auszugrenzen oder schlechter zu beurteilen, verursacht mitunter erst den Leidensdruck, den Psychologen reklamieren. Das Mitwirkungsrecht der Gremien in Schule muss stärker beachtet und genutzt werden, um mehr Akzeptanz der Konzepte zu erlangen, aber auch mehr Verständnis für die Belange der Familien zu gewinnen. Eltern müssen auch als Ressource eingebunden und erkannt werden, wenn das Schließen der Lücken gelingen soll.

Für diese Akzeptanz ist der kindgerechte Lolli-Test ein guter Anfang und sollte auf alle Schulen ausgedehnt werden. Entsprechend dem Freiburger Modell sollten aber die Testergebnisse schnell digital und persönlich zurückgemeldet werden, dort wo Familien inzwischen digital erreichbar sind. Wo das immer noch nicht der Fall ist, muss dringlich nachgesteuert werden. Schulen brauchen jetzt deutlich mehr Helfer*innen. Es gibt auch einen Unterschied in der Handhabung. Einige Labore bauen die Schnelltest im Vorfeld zusammen und andere nicht, was dann mehr oder weniger arbeitsaufwendig für Schulen ist. Grundsätzlich sollten die Schüler*innen und Lehrkräfte im Anschluss einen Test-Nachweis erhalten, damit mehr außerschulischer Bewegungsraum wieder ermöglicht wird und nicht zwei Bürgertest am Tag notwendig werden.

Doch es muss nun um gute Förderangebote für die kommenden Wochen und das neue Schuljahr gehen. Da reichen keine zwei Stunden pro Woche. Die LEK NRW fordert mehr Personal zur Entlastung bei Unterricht, Verwaltung und Hygiene. Dies darf nicht nur kurzfristig beschäftigt werden, sondern muss perspektivisch mit Blick auf den gesetzlichen Anspruch auf Ganztag, schon jetzt fest in den Schulen angestellt werden. Das Schließen der Lücken braucht Zeit. Die Förderung muss in den Schulen selbst stattfinden, nur so können individuelle angepasste Angebote geschaffen. Das Erhöhung des Lerndruck auf Ablehnung stößt, hat G8 deutlich gezeigt. Auch Schüler*innen brauchen Pausen, daher lehnt die LEK NRW außerschulisches Büffeln in den Ferien ab. Lernerfolg ist eng verbunden mit Freude am Lernen und dem notwendigen seelischen Ausgleich, Zeit für Persönlichkeitsentwicklung- dem Wohl
der Schüler*innen.

Ferienangebote müssen Spaß und Freude zum Ziel haben und sind dann sehr zu begrüßen. JA, Präsenzunterricht ist wichtig, Gesundheit und das Wohl aller Schüler*innen, Lehrkräfte und sonstig in Schule Beschäftigten muss trotzdem oberstes Ziel bleiben. Das Ministerium darf die Empfehlungen des RKI nicht wieder ignorieren und muss die Abstandregelungen strikt einhalten, solange es nicht den entsprechenden Raumschutz gibt d.h. in der Konsequenz – kein Unterricht in voller Klassenstärke, dafür aber feste kleine Gruppen, mehr Personal, mehr Raum, weiterer Ausbau der Digitalisierung und endlich wirksamen Raumschutz in Form von
HEPA Filtern und so tägliche Präsenz sichern!


Der Vorstand der LEK NRW
Dortmund, 20. Mai 2021

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