Offener Brief: Schutzlose Schülerinnen und Schüler! – Herr Spahn, Helfen Sie unseren Kindern!

Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn,

bedauerlicherweise hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den Kampf mit den Kultusministerinnen und Kultusministern aufgegeben und damit auch den Gesundheitsschutz der Schülerinnen und Schüler verloren. Der Schutz der Schülerinnen und Schüler hat bisher leider keine Priorität in der Bekämpfung der Pandemie erlangt, weil sie dankenswerterweise nicht tödlich gefährdet sind, aber auch andere Folgeerkrankungen nicht ernst genommen werden. Viel zu wenig werden die Warnungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor symptomloser Übertragung und Ausbreitung der Mutationen beachtet. Doch diese Sorge vor Ansteckung ängstigt nicht nur die Familien, sondern auch die Schulen.

Da die Länder, wie z.B. Nordrhein-Westfalen, schon ab dem 22. Februar wieder beabsichtigen Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler in voller Klassenstärke ohne Abstand zu unterrichten, sehen wir eine massive Gefährdung des allgemeinen Bevölkerungsschutzes. Zwar sind einfache Haushaltsmasken vorgeschrieben, die bekanntlich aber keinen hinreichenden Schutz bieten. Hinsichtlich der neuen Bedrohung durch Mutationen halten wir den Unterricht in voller Klassenstärke für hoch fahrlässig. Mehrfach haben wir das im Verbändegespräch mit dem Schul-Ministerium in NRW zum Ausdruck gebracht.

Nicht einmal die S3 Leitlinien „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2 Übertragung in Schulen“, die Frau Bundesministerin Karliczek vorgestellt hatte, werden beachtet, die ohnehin schon sehr unzureichend ausfällt. Die darin einzige verbindliche Präventionsmaßnahme „Lüften“ stellt keinen wirksamen Infektionsschutz der Schülerinnen und Schüler sicher und führt bei derzeitiger Temperaturlage zu erheblichen Problemen und weiterer Gesundheitsgefährdung. Wirksame selbstschützende Masken werden den Schülerinnen und Schülern ebenso wenig zugestanden wie die Ausrüstung der Räume mit Luft-Filteranlagen, die eine verbesserte Raumnutzung ermöglichen würden.

Da die Ministerien in NRW ihre Zuständigkeit für die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler ablehnen, weil sie sich nicht (!) verantwortlichen sehen, verweisen diese auf die Kommunen. Aufgrund der Schulpflicht spielen die Kommunen den Ball zurück ans Land und fühlen sich genauso wenig wie die Krankenkassen zuständig. Der Gesundheitsschutz der Schülerinnen und Schüler wird so seit Monaten zum Ping Pong Ball aller Verantwortlichen.

Unserer Auffassung nach sind auch Schülerinnen und Schüler unentgeltliche, aber zwangsverpflichtete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Schulen, sowie Schulen zum öffentlichen Raum gehören.

Daher müssen in Schulen dieselben Bedingungen zum Tragen kommen, wie in allen anderen öffentlichen Gebäude, wo das Tragen einer medizinischen Maske bereits Pflicht ist. Deshalb muss Schülerinnen und Schülern der gleichberechtigte Gesundheitsschutz wie schulischen Personal zugestanden werden. Eine zwingende Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler mit FFP2-Masken/medizinischen Masken ist deshalb nicht nur im ÖPNV notwendig, den viele Schülerinnen und Schüler ohnehin nutzen müssen, sondern auch im schulischen Betrieb unabdingbar, um eine symptomlose Übertragung wirksam zu minimieren.

Da aber weder vulnerable Schülergruppen noch finanziell benachteiligte Familien oder besonders gefährdete Familienangehörige berücksichtigt werden, kommt es zu einer Vernachlässigung des Gesundheitsschutz der Schülerinnen und Schüler und ihrer Familien.

Darüber hinaus wundert uns, dass das Lüften gleichgesetzt wird mit Luftfilteranlagen, die in vielen Bundesbehörden zum besseren Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeschafft wurden, aber in Schule aufgrund zu hoher Energiekosten nicht verpflichtend in Erwägung gezogen werden. Doch das Lüften verursacht gerade jetzt eine starke Zunahme der Energiekosten, weil vielerorts die Heizleistung erhöht oder durch Heizlüfter ergänzt werden, weil Jacken, Mützen, Handschuhe und Decken bei Temperatur unter 10 Grad nicht mehr ausreichen, weil alle 20 Minuten Klassenräume gelüftet werden müssen, bei Außentemperaturen unter null Grad.

Sämtliche Arbeitsschutzmaßnahmen aller Arbeitnehmer schreiben eine Mindestraumtemperatur von 20° vor, die derzeit weder bei der Betreuung noch im Unterricht eingehalten werden können.

Die zahlreichen Rückmeldung von frierendem schulischen Betreuungspersonal und Schülerinnen und Schüler, die sich durch den stetigen warm/ kalt Wechsel erkälten, führt dazu, dass sie anschließend wieder in Quarantäne gehen müssen, weil sie Corona ähnliche Krankheitssymptome zeigen. Das nennen wir gesundheitsgefährdend und fahrlässig, statt verantwortungsvolle Voraussetzungen und grundsätzlich fehlende Empathie!

Vor dem Hintergrund, dass Schülerinnen und Schüler noch lange nicht geimpft werden können und damit auch weiterhin selbst gefährdet oder Überträger sein können, ist es zwingend notwendig, dass Schülerinnen und Schüler angepasste, wirksame Eigenschutz-Mittel erhalten. Dies gilt nicht nur für vulnerable Schülergruppen, sondern muss auch für alle anderen Schülergruppen gelten, um Benachteiligungen auszuschließen. Sowie chancengerechte Bildung gewährleistet sein muss, muss auch ein chancengerechter Gesundheitsschutz hergestellt werden.

Daher fordern wir, dass alle Schülerinnen und Schüler sofort mit medizinischen Masken ausgestattet werden, vulnerable Schülergruppen mit hochwirksamen FFP2 Masken, damit eine Teilhabe möglich bleibt, sowie die flächendeckende Ausstattung der schulischen Räumlichkeiten mit Luftfilteranlagen.

Selbige Gleichstellung fordern wir auch bei Testungen. So wichtig diese für schulisches Personal sind, so notwendig werden sie bei auftretenden Infektionen in der Schule. Immer wieder wurde zugesichert, dass Kohorten bzw. Klassen getestet werden sollen, sobald Infektionen auftreten, was aber (fast) nirgendwo erfolgt ist. Nicht nur, dass dadurch die Chance verpasst wurde das tatsächlichen Verbreitungsausmaß nachweisen zu können, war dies nun nachweislich der Treiber der zweiten Welle. Dies hat zu erheblichen Unmut in der Bevölkerung geführt. Wir fordern daher mindestens ein verbindliches Informationsrecht und Testungsrecht für alle Schülerinnen und Schüler einer Schule, sobald an ihrer Schule erneut Infektionen auftreten. Grundsätzlich fordern wir aber auch hier eine Gleichstellung, sodass auch Schülerinnen und Schüler sich regelmäßig testen können, besonders dann, wenn sie ähnliche Symptome zeigen. Derzeit werden aber gerade diese Testkapazitäten eingespart und viel Kinder und Jugendliche nicht mehr getestet.

Wie dringlich die Öffnung der Schulen ist zeigt nicht nur die hohe psychische Belastung der Schülerinnen und Schüler, sondern auch der dringliche Bedarf der Familien, bei denen der Distanzunterricht nicht möglich ist oder eine Betreuungsnotwendigkeit besteht. Der Ehrlichkeit halber muss festgehalten werden, dass Schulen nie geschlossen waren, sondern aufgrund der hohen Systemrelevanz immer ein Betreuungs- und Unterstützungsangebot ermöglichen müssen. Deshalb muss es gelingen Schulen langfristig die notwendige Sicherheit für mehr Planbarkeit zurückzugeben. Diese Planungssicherheit ist aber durch das jetzige frühzeitige Öffnen ohne entsprechende Schutzhilfen erneut leichtfertig gefährdet. Es muss eine Verpflichtung zur Einhaltung der AHA+L Regelung des RKI auch in Schulen geben, ansonsten kann man den Familien die sonstigen harten Maßnahmen nicht mehr erklären, die mitunter ihre Existenz gefährden.

Da, sich alle nicht Zuständig fühlen, sehen wir Sie nun in der Verantwortung den Schülerinnen und Schülern endlich den gleichberechtigten Status zu geben, der ihnen zusteht. Wir wissen, dass sich auch schon die Behindertenbeauftragte des Landes NRW zum Schutz der vulnerablen Gruppen darum bemüht hat, aber bisher leider keine Rückmeldung erhalten hat. Wir selbst haben uns mehrfach erfolglos an unseren Landesministerpräsidenten Herrn Laschet, Landesgesundheitsminister Herrn Laumann, Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel und die Bundesbildungsministerin Frau Karliczek gewandt. Doch weder sie, noch die Krankenkassen fühlen sich zuständig für den Gesundheitsschutz der Schülerinnen und Schüler und lassen die Familien
allesamt im Stich! Denn die Familien hoffen auf eine weitere Öffnung der Schulen, aber NUR mit dem notwendigen Schutz und Abstand! Daher müssen wir diese Verantwortung an Sie zurückgeben, weil an dieser Stelle der Föderalismus das Leben der Kinder und ihrer Familien gefährdet und diese zum Spielball der Zuständigkeitsverflechtungen werden, weil niemand die Kosten dafür übernehmen
will.

Es kann aber nicht nur um den Schutz des Teils der Bevölkerung gehen, der durch das Virus vom Tode unmittelbar bedroht ist oder nur um den Schutz des schulischen „bezahlten“ Personals gehen, sondern muss auch um den Schutz der jüngsten Mitglieder in unserer Gesellschaft gehen – unsere Kinder! Sie sind es die die Gesamtfolgen am meisten tragen müssen und ihnen werden wir Rechenschaft ablegen müssen. Daher fordern wir Sie auch auf entsprechende Verhandlung mit Produktionsunternehmen anzustreben, dass es dringlich größenangepasste, medizinische wirksame Schutzmittel für Kinder geben muss.

Wir gehen davon aus, auch wenn wir uns alle wünschen, dass die Pandemie bald wieder vorbei ist, dass wir noch lange mit dieser Infektionslage zurechtkommen müssen und deshalb neue Wege für verlässliche und chancengerechte Bildung und Erziehung unserer Kinder finden müssen. Umso wichtiger werden diese uns derzeit einzig bleibende Schutzhilfen werden und umso ärgerlicher ist, dass das seit bald einem Jahr immer noch diskutabel ist.

Daher fordern wir nun ein entsprechendes Bundesgesetz, dass die Länder verpflichtet die notwendigen Schutzhilfen, sowohl für FFP 2 Masken, Filteranlagen und Testungen, für unsere Kinder endlich bereitzustellen und eine entsprechende Mittelbereitstellung zu gewährleisten, dass das den Ländern/ Kommunen die Umsetzung möglich ist! Freiwilligkeit muss jetzt beendet werden und darf nicht von der Liquidität der Länder/ Kommunen abhängig bleiben. Jede an COVID erkrankte Person und jeder volle Shut-Down kostet uns erheblich mehr als diese Vorsorgeleistung!

Wir hoffen, dass Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn, die Dringlichkeit erkennen und die Katastrophe einer noch größeren dritten Welle verhindern, weil die Schulen eine entscheidende Rolle bei der Pandemiebekämpfung spielen! Lassen Sie keine Öffnung der Schulen zu, wo diese Mittel nicht entsprechend vorgehalten und gewährleistet werden. Aber ermöglichen Sie diese zeitnah, damit Familien und Schulen Planungssicherheit erhalten.

Hochachtungsvoll
Landeselternkonferenz NRW

Der gesamte offene Brief kann hier herunter geladen werden.

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