PM – Der Unterricht beginnt – Vieles wird anders- auch Eltern machen sich Gedanken

Täglich wird in allen Medien zunehmend über die Exit-Strategie diskutiert. Dabei erwartet niemand, dass die Regierung schon jetzt konkret benennen kann, ab wann das wieder möglich ist. Jedoch muss das Wie und damit die Zukunft schon jetzt besprochen und gemeinsam gestaltet werden. Allen ist klar, dass es auf lange Sicht nie wieder so werden wird, wie es einmal war. Zukunftstragfähige Entwicklungen können aber nur mit der Gesellschaft zusammen entwickelt werden. In diesen Zeiten muss der Zusammenhalt besonders gestärkt werden. Bildung war immer und wird immer wichtig bleiben, jedoch ist Schule im Moment nicht systemrelevant, aber auf kurze und lange Sicht wieder gesellschaftstragend. Deshalb muss der Beginn des Schulbetriebs unbedingt jetzt diskutiert und geplant werden. Diese Planungssicherheit benötigen alle Beteiligte und sie müssen deshalb auch mit einbezogen werden. Die letzten drei Wochen haben deutlich die System-Verflechtungen und die Grenzen der Belastungen für Schüler*innen, Familien und Lehrer*innen aufgezeigt. Insbesondere die sozialen Unterschiede zwischen den Familien führen zu einer immer größer werdenden Benachteiligung bildungsferner Schichten. Nur der Unterricht in der Schule kann auf diese und andere Probleme eingehen und Spannungsfelder wieder reduzieren.

Wie soll der Schulbetrieb aufgenommen werden?
Es gibt nun die große Ungewissheit: Wann beginnt der Unterricht und wie wird der Unterricht begonnen?
Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme kann nur nach der Bewertung der epidemiologischen Infektionslage in Deutschland getroffen. Das „Wie“ muss aber jetzt geklärt werden, damit die zunehmende Unruhe eingefangen wird. Hierzu haben wir uns Gedanken gemacht.
Ziel muss es unter anderem sein, Abstandsregeln einzuhalten und Schulschließungen im Falle des Auftretens einer COVID 19 Infektion zu vermeiden. Aufgrund der Abstandregel ist klar – der Unterricht kann nicht für alle Schüler*innen gleichzeitig beginnen – ein schrittweises Vorgehen wird notwendig sein. Bestimmte Jahrgänge sollten deshalb bevorzugt starten. Dazu müssten Klassen geteilt werden und damit würde ein Schichtdienst notwendig, sei es eine Einteilung in Vormittags- / Nachmittags- Unterricht oder tageweise.

Eine räumliche, personelle sowie zeitliche Trennung könnte im Infektionsfall helfen, nur einen Teil der Schüler*innen und Lehrer*innen unter Quarantäne stellen zu müssen. Diese Regeln betreffen auch den Mensabetrieb und die Ganztagsbetreuung z.B. an den Grundschulen in Form der OGS.
Die Reinigung und umfangreiche Desinfektion der Schulen und vor allem ihre sensiblen Bereiche wie Toiletten und Türen müssten deutlich verstärkt werden. Damit braucht auch das Reinigungspersonal deutlich mehr Zeit und unbedingten Schutz.

Erkrankten, vorerkrankten und chronisch kranken Schüler*innen muss eine Beteilung am Unterricht in irgendeiner Form ermöglicht werden. Unter den Lehrer*innen gibt es die gleichen Gruppen und zusätzlich noch viele ältere Lehrer*innen. Dies führt zu einer geringeren Anzahl von Lehrkräften. Hier könnten digitale Methoden, wie Videochat sehr hilfreich sein, um eine direkte Beschulung in virtuellen Klassenräumen zu ermöglichen.

Nach Einschätzung vieler Virologen scheint Unterricht nach Lehrplan mindestens bis zu den Sommerferien nicht möglich. Wie sich die Infektions-Wellenbewegung des COVID-19 Erregers entwickelt, vermag niemand tatsächlich vorherzusehen, nur dass sie kommen wird. Dies bleibt scheinbar auch abhängig von Schnelltests, Antikörpertests, wirksamen Medikamenten und Impfungen. Infolgedessen werden Schulen intervallmäßig geöffnet oder geschlossen werden müssen.
Um die Wiedereröffnung zu ermöglichen und Gesamtschließungen zu verringen, muss von der Landesregierung ein Gesamtrahmen geschaffen werden, der alle Optionen aufzeigt. In dem Gesetzentwurf zur Pandemie werden Optionen für die nächsten Wochen aufgezeigt, die bei Bedarf in Kraft gesetzt werden können. Es ist vorgesehen, dass eine Versetzung in den nächsten Jahrgang, auch für die Eingangsphase, für alle Schüler*innen durchgeführt werden kann.
Hier stellt sich die Frage nach Anzahl und Umfang der Klassenarbeiten, die durchgeführt werden müssen? Um Klassenarbeiten zu schreiben, muss die Vermittlung von Lernstoff gewährleistet werden, es muss unterrichtet werden.
Aus diesen Gründen muss die Anzahl der Leistungsüberprüfungen angepasst werden und / oder stattdessen andere Formen der Leistungsüberprüfung ermöglicht werden, die in Teilen das Gesetz schon hergibt. So könnten besondere Lernleistungen verstärkt angewendet werden, die dann mündlich zu verteidigen wären. Der Unterricht sollte sich vorerst auf die Haupt- und Prüfungsfächer beschränken und / oder fächerübergreifend gestaltet werden, sodass physisch oder krankheitsbedingt nicht anwesende Lehrer*innen kompensiert werden könnten und die Belastung für alle Lehrer*innen möglichst gering gehalten bleibt. Die Gesamtbelastung ist schon derzeit am Limit und darf nicht zu weiteren Ausfällen führen. Andere Fächer können zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel durch Projektwochen, ausgeglichen werden.

Für die Schüler*innen der Jahrgangstufe Q1 sind die Leistungsklausuren Bestandteil der Abiturnote. Es wird schon jetzt deutlich, dass Art und Umfang dieser Klausuren von den Vorgaben abweichen werden müssen. Zudem kann in dieser Jahrgangstufe als Abschluss auch die Fachhochschulreife erlangt werden, was gewährleistet bleiben muss. Dieses wurde in der Gesetzesvorlage bislang gar nicht berücksichtigt.

Schulen und Kommunen vor großen Herausforderungen
Zurzeit existiert ein riesiges Experimentierfeld an Schulen in Bezug auf Home-Schooling, Einrichten und Nutzung von Lernplattformen, Austausch von Arbeitsblättern und Ergebnissen, Kommunikation zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen, Eltern und Lehrer*innen sowie innerhalb der Gruppen.

Einige Schulen sind mit einer guten digitalen Infrastruktur ausgestattet. Andere haben aufgrund von Eltern- und Lehrerinitiativen diese in den letzten Wochen ausgebaut. Wiederum andere Schulen haben keinen Netzanschluss und / oder keine WLAN-Ausstattung. Wie kann demnächst parallel Unterricht an Schule und Homeschooling / Hausunterricht gewährleistet werden?
In diesem Bereich muss in den nächsten Wochen nachgebessert werden. Benötigt werden für möglichst viele Schulen Lernplattformen sowie sichere Kommunikation der einzelnen Schulgruppen. Hier ist die Mitwirkung der Kommunen gefordert. Schülerendgeräte müssen schnellstmöglich abgefragt werden und Leihsysteme gefunden werden. Wir erhoffen, dass Netzanbieter übergangsweise kostenlose Internet-Zugänge für Schüler*innen ermöglichen.

Der OGS-Betrieb und der gebundene Ganztag müssen insbesondere in sozialen Brennpunkten, sowie für berufstätige Eltern einen hohen Vorrang haben. Die Möglichkeiten zwischen den Schulen unterscheiden sich aber sehr stark. Es gibt Schulen mit getrennten Räumen für den OGS Betrieb oder Schulen wo alle Klassenräume mitgenutzt werden. Die Ausweitung des Notbetriebs der Betreuung auf diese gefährdeten Schüler*innen- Gruppe zeigt deutlich den Bedarf an. Ähnliche Fragestellungen ergeben sich für den gebundenen Ganztag an den weiterführenden Schulen. Der Raumbedarf erhöht sich dadurch erheblich.

So ist zu überlegen, welche weiteren Räume für den Schulbetrieb mit einbezogen werden könnten, wie zum Beispiel Mensen, Sporthallen, Bibliotheken, Jugendzentren, Kirchen etc.?

Diese Aufgaben sind in den nächsten Monaten und vermutlich über die Sommerferien hinaus von Schulen und Schulträgern zu bewältigen. Aus Landessicht ist zu beachten, dass Kommunen finanziell unterschiedlich ausgestattet sind und nun nochmals Spielraum benötigen. So müsste dringlich darüber nachgedacht werden, ob auch die Mittelverwendung des Digitalpakts einen höheren Anteil an Endgeräten ermöglicht. Die Schere zwischen finanzschwächeren und den anderen Kommunen darf nicht größer werden.

Abschlussprüfungen
Nach den jetzigen Vorgaben der Landesregierung sollen alle Abschlussprüfungen der 10. Klasse (Zentralprüfung (ZP 10 ), das Abitur und Prüfungen des duales Bildungssystems durchgeführt werden.
Im Gesetzentwurf zur Pandemie wird als Optionen vorgesehen, dass die ZP 10 entfallen oder durch Schulklausuren ersetzt werden können. Im dualen Bildungssystem können ebenfalls die Abschlussprüfungen entfallen.
Für die Abiturprüfung ist bisher keine Alternative vorgesehen. Hier zeigt sich eine ungleiche Behandlung der Abschlüsse durch die Landesregierung: Es wirft die Frag auf, zählt ein Abitur mehr als die anderen Abschlüsse?
Der Unterrichtsbeginn stellt eine erhebliche Belastung für alle Beteiligten in Schulen dar – für Schulleitung, Lehrende, Betreuende, Begleitende, Administrations- und Reinigungskräfte etc. . Das dogmatische Festhalten an der Abiturprüfung bindet zum einen sehr viele Kräfte und zum anderen muss der Unterricht für alle anderen Schüler*innen wegen des Infektionsschutzes in den zwei Wochen unterbrochen werden.
Somit würde der dann ggf. gerade begonnene Unterricht von einigen Jahrgängen wieder unterbrochen. Unklar ist auch, wie die Risikoschüler*innen-Gruppen an den Prüfung teilnehmen können.
Zudem ist der Zeitplan als sehr sportlich zu bezeichnen. Prüfungs- und Nachschreibetermine werden fachbezogen innerhalb von 2 Wochen durchgeführt, sodass Schüler*innen, die sich in Quarantäne befinden, nicht an den Prüfungen teilnehmen können.
Das von der KMK festgelegte Ziel, das Abitur gegenseitig anzuerkennen, muss eingehalten werden. Sollte dies nicht gelingen, kann man den Förderalismus im Bildungsbereich als gescheitert betrachten.

Es stellt sich also abschließend die Frage, was Priorität hat: Durchführung der abschließenden Abiturprüfung oder Beschulung der anderen Schüler*innen und deren Schullaufbahn. Die dogmatische Betrachtung, auch der KMK, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Schüler*innen 2/3 der Abitur-Benotung schon längst absolviert haben.

Fazit:
Schule in der Zeit der Corona-Krise stellt für alle Beteiligten eine sehr große Herausforderung dar. So wichtig wie Bildung ist und bleiben wird, ist Schule derzeit aber weder systemrelevant noch überlebensnotwendig, sondern im Augenblick ein Ort, über die die Ausbreitung der COVID 19-Infektion gesteuert werden kann. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass viele Akteure bereit sind, sich auf neue Dinge einzulassen und neue Wege zu gehen und mitzugestalten. Diese Aufbruchstimmung muss positiv genutzt und durch geeignete, zukunftsträchtige und zielgerichtete Maßnahmen gestärkt werden.
Die Akteure an den Schulen und Kommunen tragen dabei die Hauptlast. Damit Schule in den kommenden Monaten wiederbeginnen kann und Stabilität und damit Sicherheit bieten kann, brauchen die Akteure nun verlässliche Rahmenbedingungen für neue Möglichkeiten von der Landesregierung. Weniger vergleichend, aber kontinuierlich bildend. Nur so können wir diese Krise gemeinsam meistern, die niemanden überfordern sollte, sondern alle mitnehmen muss. Mehr als je zuvor, ist deshalb unsere Solidarität und unsere Mitwirkung gefordert. Die Gesundheit muss deshalb die höchste Priorität haben. Deshalb gilt auch hier zum Abschluss nochmal unser großer Dank an alle politisch Beteiligten, alle schulisch Aktiven und Ihnen als Eltern.
Mit diesem großen Respekt vor den Bemühungen aller, wünschen wir uns, dass zwei Fragen in den kommenden Wochen uns alle begleiten: „Wie geht es Dir und kann ich Dir helfen“? Scheuen Sie sich aber nicht zu sagen, „Ich brauche Hilfe!“ Wir stehen Ihnen für Fragen gerne zur Verfügung.
Der Vorstand LEK NRW

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