Neuausrichtung der Inklusion und Änderung der Mindestgrößenverordnung für Förderschulen mit Schwerpunkt „Lernen“

Inklusion- Ein Wort, ein Prozess, eine Gesellschaftsfrage, inklusive Bildung- Ein Kinderrecht für alle Kinder!

In NRW hat Schulministerin Yvonne Gebauer dem Kabinett kurz vor den Sommerferien die Eckpunkte zur „Neuausrichtung der Inklusion in der Schule“ vorlegt, die sie im Rahmen eines Runderlasses zum Schuljahr 2019/20 umgesetzt wissen möchte. Ziel soll die Einführung von Qualitätsstandards im gemeinsamen Lernen sein, um qualitativ hochwertige inklusive Bildung an allgemeinen Schulen anzubieten. Die Zauberformel „25 (Klassengröße) -3 (Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) -1,5 (Stellen/pro Klassen)“ soll dabei helfen, in weniger Schulen als bisher, möglichst viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer weiterführenden Schule zu bündeln. Weiterhin sollen räumliche Voraussetzungen geprüft werden, Konzepte und Fortbildungen in den Schulen nachgewiesen bzw. durchgeführt werden. Die Absenkung des Klassenfrequenzrichtwerts von 27 auf 25 Schüler*innen an inklusiven Schulen wird dazu führen, dass Plätze in den Eingangsklassen reduziert werden müssen. In vielen Kommunen gibt es einen Überhang an Anmeldungen für bestimmte Schulformen. Insbesondere bei den Gesamtschulen, die bis dato verstärkt gemeinsames Lernen anbieten, wird es zu einer Verschärfung der Situation an Schulplätzen kommen. Wir fordern die Landesregierung daher auf, im Rahmen der Konnexität zusätzliche Mittel für den Ausbau dieser Schulen zur Verfügung zu stellen, um das Platzangebot zu erhalten und die Schulen auch sächlich dafür auszustatten. Da es an vielen Schulen gute Konzepte für das Gemeinsame Lernen gibt, kann es nicht sein, dass diese nun weniger unterstützt werden sollen als Talentschulen. Außerdem muss es eine Gesetzesänderung geben, die die neue Schüler-Lehrer-Relation für diese „Schulen des gemeinsamen Lernens“ erfasst, so dass die Absenkung der Schülerzahlen nicht zu einem verringerten Anspruch an Lehrpersonal insgesamt an diesen Schulen führt. Dieser Entwurf liegt noch nicht vor.

Mit der Neuausrichtung der Inklusion an weiterführenden Schulen, gibt es gleichzeitig einen Entwurf zur Änderung der Mindestgrößenverordnung für Förderschulen im Bereich Lernenund Entwicklungsstörungen, so dass auch Förderschulen weitergeführt werden können, die nur wenige Anmeldungen erhalten und von Eltern immer seltener ausgewählt werden. Außerdem sollen sogar Förderschulgruppen an allgemeinbildenden Schulen separiert eingerichtet werden können. Insgesamt werden durch diese Änderungen unserer Ansicht nach enorme Ressourcen gebunden, die an anderer Stelle fehlen, weitere Kosten produziert, die gedeckt werden müssen, so dass dies zu Lasten der seit vielen Jahren im gemeinsamen Lernen tätigen Schulen und der Förderschulen geht. So werden Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen künstlich am Leben gehalten. Separation unter dem Deckmantel der Verbesserung der Inklusion? Natürlich möchten Eltern für ihre Kinder nur das Beste, und ein Teil der Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wünscht für ihre Kinder auch diesen Schulraum oder auch Schutzraum Förderschule. Fakt ist jedoch, dass über die Hälfte der Kinder an einer Förderschule diese ohne einen Abschluss verlassen und man gerade im Bereich Lernen gute Erfolge im gemeinsamen Lernen erzielen kann und den Kindern einen Schulabschluss ermöglicht. Außerdem schwebt über all diesem zusätzlich das Damoklesschwert des Lehrermangels, der ungleichen Lehrertarife, der vielen Professionen in Schule ohne Qualitätsstandards, der maroden Schulgebäude, der bevorstehenden Rückkehr zu G9, der vernachlässigten Grundschulen und der Kinder, die gar keinen Schulplatz bekommen haben… Alles Punkte die man ebenfalls noch stärker angehen und finanzieren sollte, bevor es zu einem Bildungskollaps im bevölkerungsreichsten Bundesland von Deutschland kommt.

Unabhängig davon, nach welchen Vorbildern oder Konzepten für eine qualitativ hochwertigere Bildung hier agiert werden soll, halten wir es als Eltern für wichtig zu erwähnen, dass für eine gute inklusive Schule viel mehr benötigt wird, als nur Lehrer und Sonderpädagogen, nämlich der Wille aller, Kinder als Individuen anzusehen, die es gilt bestmöglich zu fördern und zu fordern, ihnen aufgeschlossen gegenüber zu stehen und verschiedene pädagogische Konzepte anzubieten, ohne einige Kinder auszuschließen, oder ihnen einen Stempel zu verpassen. Lernkonzepte, mit denen Kinder egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht, zum Erfolg geführt werden. In Zeiten standardisierter Abschlüsse stellt dies noch nicht mal ein Problem dar. Wie man dahingehend das Schulsystem reformieren müsste, das sollte diskutiert werden, statt eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. So wird bei allen Neuerungen immer wieder vergessen, dass unabhängig von den verschiedenen Schulformen, die Kinder schon lange keine homogenen Gruppen mehr in diesen abbilden. Erkenntnisse der Lernforschung und auch aus Schulversuchen werden beim Herumwerkeln am Schulsystem scheinbar kaum einbezogen, und wenn, dann scheitert es immer an der Finanzierung oder es ist einfach nicht transparent genug. Stattdessen bewegt sich NRW rückschrittlich auf ein System zu, welches in der Nachkriegszeit etabliert wurde, anstatt progressiv in die Zukunft zu arbeiten und durch Bereitstellung von ausreichend ausgebildeten Lehrkräften und zusätzlichem Personal wie z.B. Schulsozialarbeitern, Sonderpädagogen, Schulpsychologen, Erzieherinnen, Schulbegleitern, Sozialpädagogen an jeder Schule multiprofessionelle Teams zu bilden, die eine Stigmatisierung nicht mehr nötig machen. Zusätzlich werden die eigentlichen Bedarfe der Schulen des Gemeinsamen Lernens bis dato in den Vorschlägen nicht ansatzweise berücksichtigt. Diese brauchen dringend mehr Zeit zur Bildung der multiprofessionellen Teams, sowie Zeit für Konzeptentwicklung und Zeit für Förderplanung. Hinzukommt, dass auch der gute Gedanke z.B. die Öffnung der gut ausgestatteten Förderschulen zu Schulen des Gemeinsamen Lernens sofort verworfen wurde, statt die Ressourcen zu nutzen.

Kinder bringen ganz natürlich die unterschiedlichsten Voraussetzungen mit. Manche Kinder lernen besser in kleineren Gruppen, manche lernen nach Gehör, andere lieben Bilder und wiederum andere müssen immer etwas dabei in Bewegung sein. Schon alleine diese wenigen Beispiele verdeutlichen worauf es beim inklusiven Lernen aller Kinder (ein UN-Recht!) ankommt: Die Schaffung von Raum. Spielraum oder Lernraum, der es ermöglicht jedes Kind in den Blick zu nehmen und nicht in erster Linie nur eine Lernstätte für zukünftige „Hoch“- Leistungsträger darstellt, sondern echte Bildung und Teilhabe zulässt um die bestmöglichsten Bildungschancen zu erzielen. Jedes Kind ist auf seine Art und Weise begabt und die „Hochleistung“, die kommt dann nämlich ganz von alleine und trägt ihren Teil an unserer Zukunft. Da sind wir uns als Eltern sicher.

Stellungnahme Änderung der Mindestgrößenverordnung
Pressemitteilung