PM: Was brauchen unsere Schulen, um zukunftsfest zu werden? Lehren aus der Pandemie!

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Die Diskussionen um die Corona-Maßnahmen an Schulen lassen vergessen, dass Schulen noch vor ganz anderen Herausforderungen stehen. Anlässlich des aktuellen Entwurfs zum 16. Schulrechtsänderungsgesetz fragen wir uns, was Schulen in der Zukunft benötigen, um allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen.

Bildungsexpansion: Realität oder Illusion?

In Teilen der Wissenschaft und Bildungspolitik wird es als Erfolg gesehen, wenn möglichst viele Menschen das Abitur oder einen Hochschulabschluss erreichen. Tatsächlich streben immer mehr Eltern für ihre Kinder das Abitur an, investieren notfalls in Nachhilfeunterricht, wenn sie es sich denn leisten können.

Gleichzeitig haben wir aber gerade in den Lockdown-Zeiten bemerkt, dass zunehmend Kinder abgehängt werden. Immer mehr Schüler*innen verlassen nach 10 oder 12 Jahren die Schule, ohne flüssig lesen, schreiben oder rechnen zu können. Sie sind nicht in der Lage, direkt eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen.

Es ist also nicht gelungen, den Bildungserfolg von finanziellem und sozialem Hintergrund der Familien abzukoppeln. Schule wirkt trotz aller Bemühungen eher klassenerhaltend, statt alle Schüler*innen so zu fördern, dass sie zur eigenständigen gesellschaftlichen Teilhabe befähigt werden.

Was aber brauchen Schulen, dass die Bildung wieder in Schulen und nicht in
außerschulischen, privat finanzierten Nachhilfeinstituten gelingen kann?


Mehr Raum und bessere Bezahlung der Lehrkräfte?

Glaubt man den Lehrergewerkschaften, brauchen wir mehr Schulräume und besser bezahlte Lehrkräfte. Tatsächlich ist Schulraum gerade in Ballungsräumen ein großes Problem, was sich durch den Rechtsanspruch des Ganztags noch verschärfen wird. Ganztag erfordert aber auch mehr Personal für Betreuung, Erziehung, Förderung und soziale Begleitung und nicht nur Lehrkräfte. Hinsichtlich des Ausbaus für Inklusion und Integration von noh größerer Bedeutung.

Schon vor der Pandemie und den vor ihr verursachten Belastungen der Kinder waren Schulen mit immer mehr seelischen Nöten von Kindern konfrontiert, Lehrkräfte mangels Zeit und entsprechender Ausbildung überfordert. Zudem hat der Wechselunterricht in der Corona-Zeit die alte Erkenntnis der Bildungsforschung deutlich belegt, dass Förderung in kleinen Gruppen besser gelingt.

Die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte ließen sich also durch kleinere Klassen und die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams deutlich verbessern und damit auch die Attraktivität des Berufs verbessern. Entspannte Lehrkräfte ermöglichen auch Kindern wieder mehr Freude beim Lernen. Kurz gesagt, eine weitere pädagogische Unterstützung in jeder Klasse wäre ein Anfang, auch für den Ganztag.

Durch die Pandemie wurde auch ersichtlich, dass die Digitalisierung zurzeit die Chancenungleichheit erhöht, weil die Ausstattung der Schüler*innen immer noch von den finanziellen Ressourcen der Kommunen, einzelner Schulstandorte und der Familien abhängt. So wie die Lehrkräfte müssten auch alle Schüler*innen personalisierte Endgeräte kostenlos erhalten, die sie nicht nur im Unterricht nutzen können. Es muss auch möglich sein, eigene Aufzeichnungen zu speichern und von zu Hause aus digital an Hausaufgaben, Präsentationen, Lernprogrammen arbeiten zu können.

Förderangebote, um die Lücken zu schließen?

Eine Vielzahl an schulischen und außerschulischen Angeboten soll helfen, die Lücken zu schließen. Doch die Angebote erreichen gerade die Kinder kaum, die besonders profitieren könnten. Das liegt zum einen an der restriktiven Regelung für Schülerfahrtkosten, die verhindert, dass alle Schüler*innen alle Angebote nutzen können. Daher ist ein möglichst kostenloses, nicht auf den eigentlichen Schulweg beschränktes Schülerticket für alle Schüler*innen längst überfällig.

Zum anderen nehmen Eltern, die sich im System Schule wenig auskennen und die ihre Kinder wenig unterstützen können, die Angebote nicht wahr. Es hilft also nichts, mehr Angebote zu machen, solange diese an den Bedürfnissen der Familien vorbeigehen. Eltern müssen als wichtiger Bildungsbaustein erkannt und eingebunden werden. Nur so kann man sie besser informieren und befähigen, ihre Kinder angemessen zu unterstützen.

Leistungsbereitschaft fördern

Schule muss verstärkt die Möglichkeit erhalten, Kinder gemäß ihren individuellen Geschwindigkeiten zu fördern. Sie muss durch positive Verstärkung statt durch regelmäßige negative Rückmeldungen zu Leistung animieren und Talente aufbauen. Damit nicht zunehmend Lehrkräfte frustriert aufgeben und Schüler*innen psychisch erkranken, braucht Schule einen Wandel, der das Kind in den Mittelpunkt stellt und nicht die Leistungsüberprüfung.

Schüler*innen müssen die Chance erhalten, Leistungsabfragen zu wiederholen und auf diese Weise schlechte Noten auszugleichen, damit sie einen Anreiz haben, nicht beherrschten Stoff nachzuarbeiten. Fördern und Fordern in einer positiven, chancengleichen Umgebung, bedeutet eine größere angepasste Angebotsvielfalt! Jedoch müssen zusätzliche Förderangebote besser anerkannt und honoriert werden.

Das 16. Schulrechtsänderungsgesetz

Das 16. Schulrechtsänderungsgesetz böte die Gelegenheit, unsere Schulen in der oben beschriebenen Weise zukunftsfest zu machen. Tatsächlich fasst der Gesetzentwurf viele Themen an, stellt aber die Weichen nicht mutig genug in Richtung Bildungsgerechtigkeit und Zukunftsfestigkeit der Schulen:

– Zusätzliches Personal wird befristet zum Ausgleich der Folgen der Corona-Krise bezahlt über die Programme „Extra-Personal“ (Lehrkräfte und anderes pädagogisches und sozialpädagogisches Personal) und „OGS-Helfer-Programm“. Eine grundlegende Änderung der Lerngruppengrößen und Zahl der Lehrerstellen ist in der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG ist nicht vorgesehen.

– Die Aufnahme von digitalen Endgeräten in den Katalog der unter die Lernmittelfreiheit nach § 96 SchulG fallenden Produkte ist nicht vorgesehen.

– Eine Reform der Schülerfahrtkostenregelung in § 97 SchulG ist nicht vorgesehen.

– Die Mitwirkung von Eltern wird in zwar in § 85 SchulG in Bezug auf die Mitarbeit im Schulausschuss gestärkt. Maßnahmen, um Eltern mehr einzubeziehen, sind nicht
vorgesehen.

– Eine Änderung der Grundsätze der Leistungsbewertung in § 48 SchulG ist nicht vorgesehen.

Forderungen der LEK

Wir fordern eine mutige Erweiterung des Gesetzentwurfs, damit unsere Schulen für aktuelle wie zukünftige Herausforderungen gewappnet sind:

1. deutliche Reduzierung der Klassengröße,

2. Ausbau der Schulen zu einem attraktiven Lebensraum,

3. eine Lehrkraft und mindestens eine pädagogische Zusatzkraft pro Klasse,

4. Einstellung von mehr Personal zur Unterstützung der Lehrkräfte und der Verwaltung,

5. Ausweitung konstanter multiprofessioneller Hilfen in Schulen, mit Schulsozialarbeit und schulpsychologischen Beratungsangeboten,

6. Nutzung von personellen und räumlichen Synergien zwischen kommunalen Bildungsangeboten, OGS, Schulbegleitung und Schule,

7. Ausstattung aller Schüler*innen mit kostenlosen digitalen Arbeitsendgeräten,

8. kostenfreies Schülerticket für alle und Bildungsticket für alle kommunalen Angebote,

9. Verstetigung der Partizipation von Schüler*innen und Eltern auf allen Ebenen,

10. Ausbau von Inklusion und Teilhabeleistungen an allen Schulen.

11. Nachweispflichtige, umfassende, halbjährliche Förderplangespräche der Schule für alle Schüler*innen und Eltern,

12. Aufstockung der Bewegungs- und Sporteinheiten auf täglich 60 Minuten,

Lassen Sie uns die Chance nutzen, Lehren aus der Pandemie zu ziehen und die Schulen jetzt für die zukünftigen Herausforderungen zu stärken. Wir brauchen den Mut für einen echten Neuanfang, der auch jetzt Maßnahmen verstetigt braucht, die auch die Gesundheit der Schüler*innen schützen, aber langfristig zum Alltag gehören müssen um Teilhabe für alle zu gewährleisten!

LEK NRW
Vorstand
Dortmund. 12. November 2021

Veröffentlicht in: News